Der Chappe Telegraf

Über den Erfolg eines Kommunikationssystems aus prä-elektrischer Zeit

Ein Essay von Michael Färber

Das menschliche Bemühen, mit optischen Signalen oder Zeichen etwas über eine Distanz mitzuteilen, lässt sich in der Geschichte weit zurückverfolgen. Der Chappe Telegraf ist in seiner Form jedoch ein interessantes System, denn das Konzept war das erste das in größerem Stil eingeführt wurde, politisch oder strategisch nachhaltig von Bedeutung war, und sogar in der Literatur seinen Niederschlag gefunden hat.

Zuweilen sah ich am Ende einer Straße auf einem Hügel bei schönem Sonnenscheine die schwarzen, wie die Füße eines ungeheuren Käfers sich biegenden Arme, und dieses Schauspiel hat mich immer merkwürdig ergriffen, das versichere ich Ihnen, denn ich dachte, diese Zeichen, welche die Luft mit unfehlbarer Sicherheit durchschneiden und auf Hunderte von Meilen den unbekannten Willen eines vor einem Tische sitzenden Menschen einem andern am Ende der Linie befindlichen Menschen verkünden, verdanken ihr Dasein nur der Energie des sonderbaren Insektenkörpers.”

Alexandre Dumas (der Ältere) in “der Graf von Monte Christo”

Immer wieder haben Erfinder versucht optische Kommunikationsmittel zu etablieren. Meist waren diese für Punkt zu Punkt Übertragungen gedacht, und die Informationstiefe war meist gering, häufig eine rein binäre information, etwas ist passiert oder nicht passiert. Komplexere Informationen waren nicht möglich. Aus meiner Jugend kenne ich noch ein schönes Beispiel für eine simple Informationsübertragung. Bei den Hütten der Pfälzerwald Vereins wurde eine Flagge gehisst, um anzuzeigen das die Hütte offen und bewirtschaftet ist. Das ersparte manchem Freizeit-Wanderer vor einer verschlossenen Tür zu stehen, und einen unnötigen Weg gemacht zu haben, und letztlich auch noch durstig zu bleiben. Ich weiss nicht ob das heute noch Tradition ist, und viele Wanderer schauen heute bestimmt im Smartphone einfach nach den Öffnungszeiten. Aber damals war das einfach prima, denn da ließen sich solche Fakten nicht einfach mobil und online recherchieren.

Der Chappe Telegraf ist durch seine Fähigkeit gekennzeichnet komplexe Nachrichten im Klartext oder kodiert über längere Strecken zu übertragen. Also konnte weit mehr als nur die Öffnung einer Hütte anzuzeigen.

In den folgenden Abschnitten möchte ich auf die verschiedenen Aspekte dieses Kommunikationssystems eingehen, und etwas ausleuchten, die meines Erachtens dieses Konzept am Ende des 18 Jahrhunderts zu einem “Break Through” System machte, und auch auf die Entwicklung der elektrischen Telegrafie einwirken sollte.

Sehr detailreich und informativ zur Entwicklung optischer Telegrafen, und dem Chappe Telegrafen im besonderen, ist das in einem Kapitel des hervorragenden Buchs “Communications: An International History of the Formative Years von Russell W. Burns” beschrieben. Das Buch ist in Englisch und nicht wirklich preiswert, weshalb ich es nur wirklich sehr technisch und historisch interessierten Personen den Kauf empfehlen würde. Ich hatte das Glück bei Ebay ein Bibliotheksexemplar für sehr wenig Geld zu finden.

Was hat mich bewegt Zeit und Energie in dieses Thema zu stecken? 

Das kann ich eigentlich garnicht so genau sagen, aber der Chappe Telegraf ist mir schon seit meiner Jugend bekannt, auch wenn ich Zeitpunkt und Abfolge der Kenntnisnahme nicht mehr genau bestimmen kann. Definitiv habe ich meine Erinnerung an den Roman “Der Graf von Monte Christo” von Alexandre Dumas und an die Rolle die der Chappe Telegraf in diesem Roman spielt. Der Roman ist ein echter Abenteuerroman seiner Zeit, und der Autor baut eben auch hier zeitgenössische moderne Dinge ein, wie zum Beispiel den Chappe Telegrafen. Das ist wie bei James Bond Filmen, die auch gerne den modernsten Stand der Technik, und manchmal auch physikalische Unmöglichkeiten, in die Story packen. Vielen Lesern oder auch Leute die nur vom Roman gehört haben, ist sicherlich primär die Ausbruch Story im Gedächtnis. Aber der Hauptprotagonist der Geschichte widmet sich quasi im zweiten Teil des Buches im wesentlichen seinem Rachefeldzug gegen die Menschen die Ihn verraten hatten, oder von denen er sich verraten gefühlt hat. Zu diesem Zweck manipuliert er in einem Fall die Kommunikation, indem er einen Operator einer Chappe Relais Station besticht, der dann manipulierte Börsen Nachrichten sendet, anstatt die echten Nachrichten, und kann dadurch einen Widersacher durch Fehlspekulationen in den Ruin treiben. Dumas beschreibt im Roman, was wir heute eine “Man in the middle” Attacke nennen würden.

Als ich den Roman gelesen habe, war mir das Prinzip dieses Telegrafen nicht fremd, auch hatte ich eine bildliche Vorstellung. Die Beschreibung im Buch ist hierzu eher dürftig, und sogar fehlleitend denn die Referenz zum Käfer lässt irgendwie 6 Arme erwarten. Entweder war eine korrekte Abbildung im Roman, denn die teilweise sehr alten Roman Ausgaben in der Stadtbibliothek hatten oft recht schöne Illustrationen, gerade bei den Ausgaben die in der Kinder und Jugendabteilung standen. Eine anderer Grund für mein Wissen über Funktion und Aussehen könnten durchaus auch durch einen Artikel in einer Wochenend Ausgabe unserer lokalen Zeitung egewesen sein. Was nicht überraschend wäre, denn eine dieser frühen Telegrafen Linien führte von Metz nach Mainz, also praktisch durch meine Heimatregion, und eine Rezeption in der Zeitung wäre deshalb gar nicht so unwahrscheinlich. Diese schöne Karte aus Wikipedia zeigt den Verbindungsweg.

Lencer, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Mein beruflicher Weg führte mich auch zur Nachrichtentechnik, und als noch recht junger Ingenieur entdeckte ich in einer Buchhandlung ein schmales Büchlein mit dem Titel: “Abhandlungen von der Telegraphie oder Signal- und Zielschreiberei in die Ferne nebst einer Beschreibung und Abbildung der neu erfundenen Fernschreibemaschine in Paris”. Ein toller Titel und auf dem Cover ein Chappe Telegraf abgebildet.

Dieses schmale Buch enthält 4 Publikationen aus Deutschland zum Thema, die alle am Ende des 18. Jahrhundert publiziert wurde. Weiterer Bestandteil dieses Buches ist eine fiktive Diskussion der Experten/Professoren untereinander, was aus meiner Sicht ein eher unnötiges Element ist. Zwar bringt es etwas Kontext zur politischen Haltung der einzelnen Personen. Aber da wären sachliche historische Informationen zu den Personen meines Erachtens wertvoller gewesen.

Wie wurde diese technische Innovation am Ende des 18ten Jahrhunderts wahrgenommen?

Die Artikel sind trotz des ungewohnten Sprachstils alle lesbar, und variieren im Stil zwischen :

  1. investigative Reportage,
  2. nationalistisch geprägter Diskreditierung,
  3. der Haltung „ich weiß wie man es besser macht“,
  4. und letztlich einen ordentlichen Artikel, der Grundlagen beschreibt, Weiterentwicklungen andiskutiert, und analysiert.

1. Friedrich Gotthelf Baumgärtner

Der investigative Report, (“Abhandlungen von der Telegraphie oder Signal- und Zielschreiberei in die Ferne nebst einer Beschreibung und Abbildung der neu erfundenen Fernschreibemaschine in Paris”) erweckt den Eindruck der Autor wäre bei vielen Ereignissen selbst vor Ort gewesen. Dieses scheint nach Ansicht von Historikern nicht auf Tatsachen zu beruhen. Der Verfasser ist Friedrich Gotthelf Baumgärtner, ein Jurist, Verleger und Schriftsteller der damals in Leipzig lebte. Hier hat möglicherweise jemand das Thema einfach spannend verpackt, und eine Story darum geschmiedet, damit es sich besser verkauft. Grundsätzlich finde ich aber, wenn man die Story und die wahrscheinlich erfundenen Augenzeugenberichte beiseite lässt, dass dieser Artikel erstens sehr gute Abbildungen der Technik liefert, und zweitens auch die technischen Fakten sehr gut beschrieben sind. Verwendung und Bedeutung des Systems wird sehr lebendig dargestellt, und auch die im Artikel beschriebenen Ereignisse entsprechen im wesentlichen den bekannten historischen Daten. Wir müssen lediglich davon ausgehen das der Autor nie vor Ort war, und der Bericht einfach nur sehr gut recherchiert wurde. Alle anderen Publikationen referenzieren das Werk, und machen es so quasi zu einem wissenschaftlichen Grundlagenwerk.

Abb. aus dem Baumgärtner Artikel

https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10811074?q=chappe&page=,1

2. Abel Burja

Der nächste Artikel kommt von Abel Burja, dieser war Professor an der königl. Militärakademie in Berlin, und verfasste ebenfalls einen Artikel zur Telegrafie. „Abhandlung von der Telegraphie oder Fernschreibekunst“ vom September 1794.

Bemerkenswert ist, das er über die Funktion des Chappe Telegrafs nur unzureichend Bescheid wusste und die Publikation mehrere Nachträge enthält, die dann mehr Informationen bieten. Der Hauptartikel holt erst einmal ganz weit aus und beginnt bei Griechen und Römern, und frühen Formen der Signalisierung, dann verliert er sich in seiner klassischen Bildung, die bis hin zu Gedichtsauszügen geht. Dann bekommt er die Kurve und erfindet ein eigenes Signal Alphabet, und beschreibt einen Buchstaben Telegraf in dem von hinten beleuchtete Buchstaben in schwarze Röhren gesteckt werden. und dann von einer Relaisstelle mit dem Fernrohr ausgelesen werden. Die Buchstaben werden seriell gewechselt. Die Röhre soll das Auslesen verbessern und den Inhalt besser vor ungewollten Mitlesern verbergen. Zusammengefasst lässt sich sagen, das der Autor den Chappe Telegrafen als Aufhänger nahm, um erstmal eine Vorlesung zu eigenen Telegrafie Ideen zu verfassen. Immerhin verpasst er der Publikation dann wohl schrittweise Nachträge, als er mehr Informationen zum Chappe Telegrafen bekommt. Interessant ist seine Ungläubigkeit hinsichtlich der Übertragunsgeschwindigkeit, aber er war offen seine eigenen Annahmen zu den Relais Abständen zu korrigieren. Letztlich hält er die Mechanik des Chappe Telegrafen für zu komplizert. Die Baumgärtner Publikation erwähnt er lobend, hat aber zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nur von ihr gehört(!), aber nicht gelesen! Hier darf man allerdings nicht vergessen, das die verschiedenen Autoren auch in verschiedenen Herzogtümern und Königreichen verteilt waren, und der Zugriff auf solche Veröffentlichungen deshalb nicht so einfach war.

3. J.A.B. Bergsträßer

Der hessische Professor Bergsträßer veröffentlichte 1795 einen Artikel mit einer sehr sperrigen, aber schon aufschlussreichen Überschrift, die die Zielrichtung des Artikels aufzeigt:

„Synthematographe und Telegraphe in der Vergleichung; aufgestellt mit Urkunden zu Ehre, der Britten und Teutschen; gegen die Franzosen und Ihre anmaßliche Erfindung“

Das Verhältnis zwischen deutschen Fürstentümer und Königreiche und der französischen Nation, darf man getrost als über Jahrhunderte als angespannt bezeichnen, die Revolution von 1792 dürfte auch nicht zur Entspannung beigetragen haben. Bergsträßer beruft sich darauf, das die Chappe’sche Erfindung ein Plagiat von Hooke’s Telegraf wäre. In der Tat hat Hooke (1635 – 1703) Secretary of the Royal society und Naturforscher 1684 eine Veröffentlichung gemacht, in der er einen Telegrafen beschreibt, der mit Symbolen arbeitet, und ausser Buchstaben auch Signalisierungssymbole beinhaltete. Allerdings waren die Symbole gedacht auf große Tafeln gehangen und ausgetauscht zu werden. Hooke kannte den Wert eines Teleskops aus seinen Astronomie Aktivitäten, und konsequenterweise empfahl er das Instrument um das Ablesen der Symbole zu verbessern, und beschreibt auch wie eine Relaisstrecke etabliert werden könnte. Nur, Hooke machte sich niemals an die Implementierung. Das rührt den Prof. Bergsträßer nur wenig, denn die eigentliche erfolgreiche Implementierung in Frankreich ist für Ihn nicht relevant. Er kennt den Baumgärtner Artikel, der ja relativ enthusiastisch zum Chappe Telegrafen steht, sagt aber in seim Taktrat: „Von der letzten (gemeint ist der Baumgärtner Artikel) will ich gar keinen Gebrauch machen, nicht nur darum, weil Sie in jedermanns Händen ist, sondern weil man sich so wenig auf Sie verlassen kan, daß man sie vielmehr in vielen Stellen widerlegen müsste, wozu ich weder Zeit noch Lust habe.“

Das ist natürlich sehr unwissenschaftlich von dem Professor, wenn Dinge in einer Publikation zu falsifizieren sind, dann tut man das. Das ist heute Regel Nummer eins beim Review einer Publikation, um Fehler oder falsche Theorien auszuschließen. Die obige arrogante Reaktion ist wahrscheinlich der zu positiven und journalistischen Darstellung im Artikel geschuldet.

Dafür bedient er sich bei Abel Burja mehr als großzügig, indem er einfach große Teile dessen Veröffentlichung wiedergibt, die den Telegrafen beschreiben. Er benennt den Autor zwar akkurat , aber im wesentlichen nutzt als Beleg, für die seiner Ansicht nach nicht nachvollziehbare Implementierung. Wie ich aber zu Burja im vorherigen Kapitel schrieb, hat er wohl auch erst stufenweise gelernt wie das Konzept funktioniert, und dann entsprechende Anhänge zu seinem Artikel produziert.

4. J.L. Boeckmann

Versuch über Telegraphic und Telegraphen nebst der Beschreibung und Vereinfachung des französischen Telegraphen (1794)

Professor Boeckmann war Professor in Karlsruhe, und sein Beitrag ist aus wissenschaftlicher Sicht der wertvollste. Zum einen nimmt er den Chappe Telegraphen einfach als existierende Tatsache, und denkt eher darüber nach, wie sich das Konzept verbessern liese. Weiterhin diskutiert er, inwieweit Elektrizität eine neue Möglichkeit der Telegrafie ermöglichen würde.

Sehr nett ist auch sein Einstieg in den Text, denn er erkennt ein der Presse einen „Hype“, ohne jedoch dieses Wort zu kennen oder zu benutzen. Aber die öffentliche Aufregung und Wahrnehmeung erinnert ihn an die Situation, als die Ballonfahrten in Frankreich stattfanden. Also wie groß die Wahrnehmung in der Presse und in der Allgemeinheit hinsichtlich des Themas war. Auch spricht er schon über Streitereien zwischen Frankreich und England, hinsichtlich der Priorität und damit die Urheberschaft der Technik.

Auch Prof. Boeckmann, referenziert historische Beispiele, er erwähnt auch besonders den Beitrag von Hooke, kommt aber auch zu verschiedenen Schlußfolgerungen: „Zum einen das die frühen Versuche und Nutzungen, meist der Punkt zu Punkt Signalisierung, durch die damaligen Grenzen der Technik limitiert waren“. Er stellt fest: „Unsere neueren und vollkommenere Methoden zeugen also nicht von mehrerem Scharfsinn oder größerer Stärke des Genie’s, als vielmehr von einer pflichtmäßigeren Benutzung unserer glücklicheren Lage.“ Damit zollt er den Ideen Respekt, erkennt aber genau, dass jetzt die besseren Mittel und Möglichkeiten vorhanden sind. Er beschreibt dann noch viele zeitgenössische Veröffentlichungen, u.a. Bergsträsser, stellt aber fest das dies alles immer in der Theorie oder im Versuch blieb, und rätselt warum keine Implementierung im Großen stattfand und kommt dann halt auch zu dem Schluss: „Dies alles weiß ich nicht genau — Nur das weiß ich, dass nichts geschah!“ Boeckmann erkennt auch den Zusammenhang zwischen den politischen Umwälzungen in Frankreich, und des damit einhergehenden politischen und strategischen Innovationsdrucks. Weiterhin geht er dann mit Bergsträsser ins Gericht, und verwirft dessen Haltung das die ganze Telegraphie nur ein „politischer Kunstgriff sei“. Böckmann implementierte übrigens zu einem späteren Zeitpunkt, im badischen dann eine eigene optische Telegrafenstrecke, die er auch öffentlich vorstellte. Er war also durchaus willens sich die Finger schmutzig zu machen. Allerdings nachdem er diesen „Proof of Concept“ einmal durchgeführt hatte, zu Ehren des badischen Markgrafen, der sicherlich als Herrscher ein wichtiger Finanzier der Universität war, verläuft jegliche Weiterentwicklung im Sand.

Böckmann postuliert in seinem Text dann auch 9 Kriterien, die seiner Ansicht nach ein System sinnvollerweise erfüllen sollte. Das reicht von Übertragungssicherheit im Sinne der Fehlerfreiheit als auch der Abhörsicherheit. Prinzipien der Einfachheit erfüllen muss, und auch nicht kostspielig sein darf. Im Prinzip etwas das wir heute ein Pflichtenheft, oder eine Requirement Spezifikation, nennen würden.

Auf Basis dieser Kriterien betrachtet Böckmann dann verschiedene mögliche Ausführungen der Telegrafie. Diese sind Schall, Optik (Licht) und Elektrizität (!).

Die Elektrizität analysiert er zuerst, wobei er schon ein großes Verständnis für mögliche Vorteile ausdrückt. Aber er möchte da in die Tiefe gehen und formuliert:

1) Ist Electricität zur Telegraphik überhaupt als anwendbar zu denken?
2) Wie könnte dieses geschehen?
3) Wird der Gebrauch derselben anzuemphelen seyn?“

Böckmann 1794

Und er kommt letztlich zum Schluss:

Hier sind nun drei an sich nicht unmögliche Anwendungen der Electricität zur Auflösung unseres Problems! Aber es sieht auch jedermann die unendlichen Schwürigkeiten ein, die Sie bei der Ausübung finden würden, und dass sie also nicht empfehlbar seyn könne.“

Böckmann 1794

Ein erschütterndes Ergebnis der Analyse, besonders für mich als Ingenieur der Nachrichtentechnik. Ich hatte diese Zitate auf einer Overheadfolie (später im Notebook) immer parat, wenn Firmenintern mal wieder Experten zitiert wurden. Denn es muss immer der Zeitpunkt der Expertise betrachtet werden, und was gestern eben nicht ging, ist die Killer-Anwendung von Morgen.

Aber zugegeben, dass war von mir etwas unfair dem guten Prof. Böckmann gegenüber, denn er machte sich wirklich ernste Gedanken wie man die Elektrizität nutzen könnte, und seine Bedenken sind zum Zeitpunkt 1794 relevant!

Lösung 1, ist das Verlegen eines Drahtes, der mit einer elektrischen Pistole gekoppelt ist. Ein Funken über den Draht übertragen, löst die Pistole aus, und sendet damit ein Signal, das zugegebener Weise keine besondere Signaltiefe hat. Eben Fahne hoch oder runter, ein Bit halt. Spannend ist die elektrische Pistole. Hier geht er entweder davon aus, dass die Volta Pistole unter wissenschaftlich Interessierten Allgemeinwissen ist, oder verwendet unzitiert eine Erfindung von Alessandro Volta.

1776 entdeckte er (Volta) in aus den Sümpfen am Lago Maggiore aufsteigenden Gasblasen als Erster das Methan und begann mit dem brennbaren Gas zu experimentieren (Volta-Pistole, in der ein elektrischer Funke in einer Flasche die Verbrennung auslöst, also eine Art Gasfeuerzeug)“

Wikipedia Deutsch

Auch Volta dachte schon darüber nach, inwieweit sich das zum Zwecke der Kommunikation verwenden liese. Langfristig war das aber nicht der Königsweg eines Detektors bei einer Übertragung. Man stelle sich die Geräuschkulisse eines Internetknotens vor, der mit solcher Technik arbeiten würde.

Lösung 2, ist die Erzeugung eines Funkens am Empfangsort, durch trennen eines Stromkreises am Sendeort, und der Voraussetzung einer ausreichend großen Spannung, die er mit Leidener Flaschen, oder Voltaschen Säulen herstellen will. Hier sehen wir, das Prof. Boeckmann durchaus praktische Erfahrungen mit elektrischen Stromkreisen hatte, aber dieses wohl nur phänomänologisch. Damit meine ich , dass zum Zeitpunkt als der Artikel erschien, Faraday gerade mal 3 Jahre alt, und es sollte noch bis 1831 dauern, bis er das Prinzip der Induktion und Selbstinduktion beschreibt. Boeckmann kannte also den Effekt, ohne zu Wissen, warum es passiert.

Lösung 3, ist eigentlich wieder eine optische Telegrafie Lösung. Hier denkt er an phosphorizierende Licht-Effekte in evakuierten Röhren, die als Buchstaben geformt sind. An der Gegenstelle wird mit einem Teleskop die Information abgelesen. Hier denkt er also in Richtung eines Nixie Displays, wie wir es aus den 1970er Jahren kennen, zur Darstellung von Zeichen, oder aber von Neonröhren. Das Ergebnis ist aber eine Mischung von elektrischer und optischer Übertragung.

Wie ich schon Eingangs meinte, nähert sich Prof. Böckmann dem Thema insgesamt in einer offener Art, wie man sich es von einem Wissenschaftler sich wünscht.

Leider schließt er seinen Text dann mit einer Verschwörungstheorie ab, das Chappe, bzw die Chappe Brüder nicht die Urheber seinen, sondern das die Idee von Henri Linguet (* 14. Juli 1736 Reims; † 27. Juni 1794 Paris), ein französischer Jurist und Staatsrechtler, der sehr viel publizierte und auch als Schriftsteller aktiv war. Er scheint ein sehr geschickter und erfolgreicher Anwalt gewesen zu sein, allerdings wohl auch ein schwieriger Charkter, speziell (wenn auch selten) mal ein Fall verloren ging. Dies ging wohl soweit, dass er seine Anwaltszulassung verlor. In der französischen Revolution ist er dann nicht unbedingt mit der herrschenden Meinung in Übereinstimmung. Er geht, nach einem erzwungenen Aufenthalt in der Bastille, in verschiedene Exile, bei Voltaire in der Schweiz, in London, in den Niederlanden, von wo aus er wieder nach Frankreich kommt, um direkt wieder verhaftet zu werden. Letztlich endet er, wie viele Intellektuelle und nicht linientreue Revolutionäre, unter der Guillotine. Angeblich soll er in seinem letzten Gefängnis Aufenthalt, Ideen für einen Telegrafen preisgegben haben. Auf diese Geschichte bezieht sich Böckmann, die sicherlich auch getrieben war, den Revolutionären und Erfolgen des Regimes skeptisch gegenüber zu stehen. Ich recherchierte zu Linguet und Telegrafie, und tatsächlich hat Linguet hierzu Texte veröffentlicht. Es finden sich im französischen eine Referenz (von mir mit einem Automaten übersetzt) in der angedacht wird: „unterirdische Leitungen aus goldenem Draht zu installieren… (die Geräte verbinden), die sehr gut geeignet sind, um von einem Ort zum anderen, sogar über eine beträchtliche Entfernung, sehr detaillierte Informationen zu übertragen“. Auch im bereits erwähnten Buch von Russel Burns wird Linguet erwähnt, in einer Liste von Autoren, die sich zur elektrischen Telegrafie Gedanken gemacht haben. Von der Zeitlinie her haben die Chappes, den Semphore Telegrafen im März 1792 in der Nationalversammlung vorgeschlagen, im Oktober 1792 wurde ein erster Telegraf von Bürgern zerstört, die es für ein Spionage Gerät hielten. Linguet selbst wurde im September 1793 verhaftet und 1794 getötet. So gesehen haben die Semaphore Versuche vor seiner Verhaftung stattgefunden, 1793 wurde dem Konzept schon Geld zugeschlagen und im Juli 1793 erfolgreich demonstriert. Es scheint mir von daher unwahrscheinlich, dass er der Originator des Chappe Konzepts ist.

Technische Aspekte

Ein wichtiger Hintergrund für die erfolgreiche Implementierung des Chappe Telegrafen am Ende des 18 Jahrhunderts, waren die technische Entwicklungen in der Mechanik und der Optik. Das Fernrohr wurde 1608 in den Niederlanden erfunden, und der optische Instrumentenbau hat sich in den fast 200 Jahren deutlich weiterentwickelt, sodaß Fernrohre mit recht konstanter Qualität gefertigt werden konnte, und die Weiterentwicklung der Fertigungstechnik auch die Kosten tragbar machte. Jede Station einer Chappe Linie war mit einem Fernrohr ausgestattet, sodass erst eben dadurch auch der Abstand zwischen den Stationen entsprechend groß sein konnte. Der andere Aspekt ist die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Semaphore Konstruktion. Hier arbeitete Chappe mit dem Uhrmacher Breuguet, der hier wohl die entsprechenden Kenntnisse einbrachte. Breuguet hat Uhren aller Art gebaut, auch Schiffsuhren, bei denen es ja bekannterweise auf eine sehr hohe Zuverlässigkeit ankam, um eine exakte Navigation zu gewährleisten.

Die Zeiger konnten in Winkel von 45°, 90°, 135°, 225°, 270° und 315° positioniert werden oder in Übereinstimmung mit dem Hauptbalken gebracht werden (0°). Damit kann ein einzelner Zeiger 7 Positionen einnehmen. Theoretisch wären es sogar 8 Positionen, aber die 180° Position der Zeiger wurde nicht verwendet da dieses eine Verlängerung des Hauptbalkens darstellt, und man wohl befüchtete das es zur Verwechslung mit der 0° Position kommen könnte. Der Hauptbalken kann 4 Positionen einnehmen, somit lassen sich aus den zwei Zeigern und dem Hauptbalken 7*7*4 Signalbilder erzeugen, was einen Signalraum von 196 Symbolen ergibt.

Von Patrick87 – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25266327

Für die Datenübertragung wurde nur der halbe Signalraum verwendet, während die andere Hälfte für Signalisierungsinformationen vorbehalten war.

Es gibt verschiedene Tafeln die Klartext Alphabete zeigen, wie das oben abgebildete, oder wie im Baumgärtner Artikel dargestellt. Allerdings ist es fraglich, wie häufig Nachrichten im Klartext überhaupt durchgegben wurden. Vielmehr scheint vieles via Code Bücher übertragen worden zu sein. Code Bücher waren zu dieser Zeit bekannt, und im diplomatischen Dienst zur Codierung von Depeschen im Einsatz. Das Prinzip dieser Code Bücher besteht darin, das ein erster Wert eine Seitenzahl des Codebuches angibt. Der folgende Wert gibt dann die Zeile an, welches der Textfragmente ausgewählt ist. Das Code Buch enthält also vorfabrizierte Textelemente, die entsprechend des benötigten Inhalts zusammen kombiniert werden. Das ergibt sicherlich keine schöne Sprache, hat aber zwei Vorteile, mit sehr wenigen Symbolen kann ein relativ hoher Informations Inhalt übertragen werden, und nur wer das korrekte Code Buch besitzt ist in der Lage die Information auszulesen.

Wie können wir uns also so eine verkürzte Information vorstellen? Nehmen wir z.B. an es ginge um ein Fußballspiel, und eine Reportage für das auswärtsspielende Team über eine Chappe Linie, mittels eines Fußball Reportage Code Buchs,  könnte wie folgt aussehen:
  • Die gegnerische Aufstellung ist
  • 4/3/4 (oder 2/4/4, oder …)
  • Nach Ballgewinn Konter über, (Alternativen)
    • linker Flügel
    • rechter Flügel
    • Mitte
  • und vor dem gegnerischen Tor, (Alternativen)
    • erfolgreich zum Abschluß gekommen
    • wird der Ball abgewehrt
    • führt der Spielzug zu einer Ecke

Das Konzept produziert mit Rücksicht auf Datensparsamkeit und guter Übertragungsgeschwindigkeit, relativ einfach formatierte Textstücke, die nicht gerade durch sprachlichen Reichtum glänzen. Allerdings werden journalistische KI Systeme heute für lokale Sportnachrichten eingesetzt, und aus ein paar Fakten wie dem Ergebnis, Verletzungen, Tabellen- oder Punktestand, macht die KI einen Text der eine gewisse sprachliche Raffinesse und Variation bietet.

In der Literatur finden sich sehr unterschiedliche Infomationen zu Signal Laufzeit. Dies ist sicherlich zum einen geschuldet, das mit einer Codebook Übertragung eine Nachricht schneller von statten geht, als mit Klartext. Auch bleibt häufig unklar, inwieweit die Zeit die Übertragung zwischen zwei Stationen, oder Ende zu Ende beschreibt.

Das einstellen eines Zeichens, also einer Flügelstellung, scheint so zwischen 20 bis 30 Sekunden erfordert zu haben. Die Empfangsstelle positionierte dann die Flügel in die gleiche Stellung, damit konnte auch von der Sendestelle gecheckt werden, ob das Signal richtig empfangen wurde. Für die Strecke Mtz – Mainz waren 22 Stationen involviert. Die Laufzeit eines einzelnen Zeichens sind also 30 * 22 Sekunden, also 660 Sekunden, oder 11 Minuten. Nehmen wir an die ganze Nachricht umfasst 20 Zeichen aus dem Codebook, so braucht die Nachricht 220 Minuten oder 3 Stunden und 40 Minuten. Nach heutigen Gesichtspunkten erscheint das geradezu amüsant langsam. Aber für die Zeitgenossen war das ein Riesenfortschritt. Denn die Strecke war in etwa 225 km lang, und der Stand der Technik wäre eine Reiterstafette gewesen, die mit Galopp eine Depesche trasnportieren müsste. Ein Pferd im Galopp über längere Etappen (z.B. 20km) auf 20km/h geschätzt, würde eine Laufzeit von etwa 11 Stunden haben, wenn Pferd- und Reiterwechsel quasi nahtlos gehen würde. Der Pony-Express in den USA benötigte für die 3100 km Coast to Coast Strecke 10 Tage, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 13 km/h entspricht. Die Vorteile des Telegrafen lagen auf der Hand.

Claude Chappe, seine Brüder, der Telegraf und die französische Revolution

Claude Chappe wird meist als der Erfinder des nach ihm benannten Telegrafen dargestellt. Claude Chappe (25.12.1763 bis 23.01.1805) hatte Theologie studiert, und trug den Titel eines Abbe. Um möglicherweise zu verstehen, wie ein Geistlicher sich der Telegrafie zuwendet, muss man zur Kenntnis nehmen, das bis ins 19. Jahrhundert an Universitäten praktisch nur 4 Studiengänge bekannt waren:

  • Theologie
  • Medizin
  • Jura
  • die schönen Künste

Das bedeutet um ein gewisses Bildungsniveau zu erreichen, man etwas studierte, und mit diesem Rüstzeug eben dann auch Dinge machte und erforschte, unabhängig von der eigentlichen akademischen Ausbildung. Beispiele hierfür sind eben Chappe, Mendel (Vererbungslehre) ebenfalls Theologe, Schiller (Literat, Autor, Herausgeber) Mediziner, Goethe (Literat, Autor) Jurist, Soemmering (Forschung über elektrische Telegrafen) Mediziner.

Claude Chappe hatte also Theologie studiert, wie wohl auch seine Brüder Ignace, Pierre, Rene und Abraham. Ohne kirchliche Verpflichtungen, hatte man ein Einkommen aus Pfründen, und Claude folgte seine Interessen in der Mathematik und Physik.

Mit der französischen Revolution verschwand dieses sichere Einkommen, aber Claude Chappe mit seinen Interessen in Physik, hatte wohl schon Veröffentlichungen zu optischer Telegrafie studiert (Hooke, Worcester, …), und erkannte im Sinne eines Unternehmers, das die Zeit reif ist, die meist theoretischen Konzepte zu perfektionieren, und das die politisch strategische Situation in Frankreich ein schnelles Kommuniktionssystem benötigte. Man kann sich nun die Frage stellen, was Genau der große erfinderische Schritt der Chappe Brüder war, aber bei näherer Betrachtung findet man diesen nicht. Im Gegenteil, es wurden am Anfang auch einfach verschiedene bekannte Konzepte kombiniert, nachgebaut und getestet.

  • ein synchrones Zeigersystem (1791)
  • ein Shutter (Klappen) System (1791)
  • ein Zeigertelegraf (1792)

Das synchrone Zeigersystem hatte nur eine Reichtweite von etwa 400 Meter, in Sende- und Empfangsstation liefen zwei synchrone Uhren die Zeiger über einen Set von Symbolen wandern ließ. Wenn eines dieser Symbole Teil der Nachricht war, bedient der Operator im Sender eine Glocke, die dann der Operator beim Empfänger hört und aufzeichnet was sein Zeiger anzeigt. Die Reichweite war klar limitiert durch die akustische Dämpfung, zusätzlich waren die Aufmerksamkeit der Operatoren eine Fehler Quelle. Dieses Konzept wurde gebaut, getestet und nicht weiter verfolgt.

Das Shutter System bestand aus 5 Klappen, jeder dieser Klappen wurde auf einer Seite schwarz, auf der anderen Seite weiß bemalt. Das Alphabet und Signalisierungs-Informationen wurden also mit 5 Bit codiert. Dieses System wurde auch getestet, und mit einem Demonstrator wurde eine Distanz von 15 km überbrückt. (Konzeptionell könnte das die Vorlage für die „Klacker“ in Terry Pratchetts Roman „Ab die Post“ gewesen sein.)

Aber letztlich wurde ein Semaphore Konzept dann als Kandidat für eine Langstrecke genommen, da wohl die Ablesbarkeit des Semaphore mit Hilfe des Teleskops zuverlässiger war, als das Klappen System. Es findet sich eine Vielzahl von früheren Konzepten, aber die Chappes haben es verfeinert, und durch das Konzept Hauptbalken und den beiden Außenzeigern, einen sehr großen Signalraum geschaffen, und reichlich Möglichkeiten für die Signalisierung. Die Herausforderung vor die Brüder standen, war die Finanzierung einer Demonstrations Strecke zu bekommen. Hier scheint besonders Claude aktiv gewesen zu sein, und vielleicht ist das auch der Grund warum Claude Chappe hier immer primär als Erfinder genannt wird, da er nach außen hin eben mehr sichtbar war.

Ob Klappen oder Zeigersysteme, hier finden sich eine Anzahl historischer Vorläufer, die allerdings entweder nur als Gedanken Modelle veröffentlicht wurden, oder Punkt zu Punkt Strecken die gerade mal aus zwei Stationen bestehen. Der Verdienst der Chappes ist hier sicherlich nicht erfinderische Originalität, sondern die ingenieurtechnische Leistung ihr Verfahren zu verbesseren, Spezialisten wie Breuguet einzubinden, Strecken zu planen, und die Finanzierung auf die Beine zu bekommen.

Für Ihre Ideen betrieben die Chappe Brüder sehr viel Lobby Arbeit in der französischen Nationalversammlung . Aus der Nationalversammlung wurden sie dann erstmal an ein Kommitee weiter verwiesen, was möglicherweise ein Glücksfall war, da der Präsident dieses Kommitees das Konzept der Chappes als das einzig tragfähige vorgeschlagene Konzept einschätzte. 1793 begann der Krieg der jungen französischen Republik mit den damaligen Koalitionsmächten Preußen, England, Spanien, Österreich, …

Unter diesem Eindruck empfahl das Komittee im April 1793, den Brüdern 6000 Franc für den Aufbau einer Teststrecke bereit zu stellen.

https://dewiki.de/Lexikon/Livre#google_vignette

Der Franc dieser Zeit entsprach dem Vorgänger Livre, und war eine Münze mit 4,5 Gramm Silber. Damit entsprechen 6000 Franc in 1793 einem Materialwert von ca 16.000 Euro heute. Hinsichtlich der Kaufkraft in Ihrer Zeit, ist diese schwer zu bestimmen. Im o.a. Link wird ein gewisser Werte Bereich angegeben, der den 6000 Franc eine Kaufkraft von 30.000 bis zu 90.000 Euro zuordnet.

Die Teststrecke bestand aus drei Stationen die eine Strecke von 35km überbrückte. Bei einer Vorführung im Juli 1793 für das Komitee, und mehreren anderen anwesenden Personen aus Politik, Wissenschaft und Kunst, wurde über die Strecke eine Depesche geschickt, und eine Antwort zurückgesendet. Für die erste Depesche waren hierfür 11 Minuten notwendig, die Antwort die etwas kürzer war, benötigte 9 Minuten. Verglichen mit dem Zeitbedarf die Nachrichten mittels eines Reiters zu übertragen, war das natürlich sensationell schnell. Die militärische Bedeutung lag auf der Hand, und die Nationalversammlung forcierte den Ausbau des Telegrafen, und gab vor allem grünes Licht das hierfür jedes geeignete Gebäude verwendet werden darf. Ein grosser Fortschritt, da zweimal Prototypen von einem wütenden Mob zerstört wurden, da man dachte es wären Konter-Revolutionäre Apparate, mit denen Monarchisten mit dem Königshaus verbunden wären.

Der Erfolg innerhalb Frankreichs war dann kaum aufzuhalten, und bis 1805 war ein Streckennetzwerk von insgesamt 1790 km installiert. 1844 wurde in Frankreich begonnen elektrische Telegrafenlinien aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt war das optische Streckennetz auf über 5000 km angewachsen, und verband 29 Städte mit Hilfe von 534 Stationen. Der Chappe Telegraf überstand die Revolutionswirren, das Direktorat, die Herrschaft Napoleons, und bestand weiter in der Restaurationphase hin zur 2. Republik. Der Nutzen des optischen Telegrafs war militärisch und für die Staatsführung, ein unabdingbares Mittel zur schnellen Kommunikation geworden.

Claude Chappe starb 1805 durch Suizid. Die Hintergründe dazu sind nicht wirklich belegt, ausser eine Menge Theorien und Gerüchte. Der Telegrafenbetrieb wurde aber von den Brüdern nahtlos weitergeführt, was zeigt wie stark die ganze Familie in dem Projekt involviert war. Claude war wohl nach aussen hin sehr aktiv und deshalb wohl auch die häufig genannte Person.

Die Nützlichkeit eines Telegrafen brachte in der 1830 Jahren, auch Unternehmer auf die Idee, private Linien zu bauen und zu betreiben. Diese mehrfachen Versuche scheiterten dann immer am Widerstand der staatlichen Telegrafengesellschaft, und führten im März 1837 zu einem Gesetz, das die Telegrafie zu einem Monopol des Staates machte. Damit war der Grundstein gelegt, was später gemeinhin als PTT Organisationen bekannt war (Post, Telegraf and Telephone). Das Beispiel der Monopolisierung machte in Europa und vielen Teilen der Welt Schule, und die Monopole bestanden weit über 100 Jahre fort, bis in der EU hinsichtlich der Einführung des GSM Systems, auch eine Liberalisierung des Marktes gefordert war.

60 Jahre optischer Telegraf in Frankreich erscheint einem rückblickend als eine kurze technologische Phase, war aber lang im Vergleich wie Technik heute populär werden kann, und dann wieder verschwindet. Fax Geräte, CD Musik player, oder Einwahl Modems hatten deutlich kürze Bedeutungsdauern.

Andere optische Telegrafen

Wenn auch wie am Anfang beschrieben, die akademische Welt des Telegrafen of skeptisch aufnahm, waren die Vorteile offensichtlich, besonders hinsichtlich des Militärs.

Nicht verwunderlich, das Preußen hier Interesse hatte, und da die preußsichen Rheinprovinzen politisch unsichere Exklaven waren, war eine Telegrafenstrecke hier sinnvoll.

Diese Telegrafenstrecke existierte von 1832 bis 1849, also nur 17 Jahre, um dann der elektrischen Telegrafie zu weichen. Die Strecke hatte eine Länge von 590 Kilometern und bestand aus 62 Relais-Stationen. Hierbei mussten auch Stationen auf fremden Staatsgebieten, der Herzogtümer Hannover und Braunschweig erreichtet werden. Vom technischen Grundkonzept war es dem Chappe Konzept ähnlich, es wurden aber 6 Winkerarme verwendet, und Fernrohre zum Ablesen der Signale verwendet.

In Norddeutschland entstand 1838 ein privates Netzwerk, dass von Kaufleuten gegründet wurde und eben auch entsprechend kommerziell genutzt wurde. So konnten ankommende Handelsschiffe avisiert werden. Allerdings waren diese Linien eher klein, und wurden auch schon 1850 wieder eingestellt, zu Gunsten eines elektrischen Systems.

In England verliefen verschiedene Versuche einfach im Sand, da Admiralität und Armee die Ideen einfach nicht nachhaltig unterstützten. Eine erste Linie wurde 1796 gebaut, zwischen London und Portsmouth. Es handelt sich um ein Klappensystem (hell/dunkel) das 64 Zeichen Darstellen konnte.

Darstellung Murray Telegraf

Eine Strecke nach Yarmouth wurde geplant, aber nicht realisiert. Der zweite Koalitionskrieg mit Frankreich wurde beendet. Dadurch fehlte Motivation Strecken zu bauen. 1803 begann allerdings der 3. Koalitionskrieg gegen Frankreich, und jetzt sollte eine weitere Strecke schnell nach Plymouth gebaut werden, und die Yarmouth Strecke ebenso. Der Aufbau zog sich aber hin bis etwa 1806- 1807 hin, sodaß große Ereignisse wie die Seeschlacht von Trafalgar, noch auf herkömmlichen Methoden erfolgte. Mit dem Sieg in über Frankreich und der Verbannung von Napoleon, wurde nach nur 6 Jahren der Betrieb weitestgehend eingestellt und die Stationen zurückgebaut.

Als Napoleon 1815 wieder aus seiner Verbannung auftauchte, war keine der britischen Telegrafenlinien betriebsfähig geblieben.

Nach der Schlacht von Waterloo wrde vom britischen Parlament der Aufbau eines Telegrafensystems beschlossen. Allerdings griff man nicht auf das bekannte System von Murray zurück, sondern auf ein neues, von einem Konteradmiral Popham entworfenes Konzept, das viel Ähnlichkeit mit dem Chappe Semaphoren hatte. Popham orientierte sich wahrscheinlich hier auf den Code, den er mit der Flaggensignalisierung in der britischen Marine eingeführt hatte, und sich deshalb wohl auch auf zwei Signal Arme beschränkte.

Nachwort des Autors:

Während meiner beruflichen Laufbahn hatte ich, dass nicht immer wirkliche Vergnügen, Fachartikel und Veröffentlichungen schreiben zu dürfen. Dabei war es zwingender Standard, das Zitate und Quellen ausreichend belegt sind, und die nahmen am Ende eines Artikels manchmal ordentlich Raum ein. Das ist man gewohnt und auch guten Willens es zu tun, denn man erwartete umgekehrt ja ebenfalls im Zitat gewürdigt zu werden. hl=dehttps://scholar.google.com/citations?user=RMy5fkcAAAAJ&hl=de

Im Ruhestand gönne ich mir nun in der Form des Essays, statt einer Fachveröffentlichung.

Das Essay ist eine geistreiche Abhandlung, in der wissenschaftliche, kulturelle oder gesellschaftliche Phänomene betrachtet werden. Im Mittelpunkt steht oft die persönliche Auseinandersetzung des Autors mit einem Thema. Die Kriterien wissenschaftlicher Methodik können dabei vernachlässigt werden; der Autor (der Essayist) hat also relativ große Freiheiten.

Aus Wikipedia

Ich wollte eben einen Aufsatz zu schreiben, der mehr meine persönlichen Gedanken reflektiert, und auf Dingen beruht die ich mal gelesen oder gehört hatte. Ohne auf die Jagd nach den exakten Referenzen gehen zu müssen. Was übrigens bei einem historischen technischen Thema nicht ganz einfach ist.

Trotzdem habe ich Links eingefügt, Creative Commons berücksichtigt, und liste im Anschluss einige Referenzen auf, falls jemand Interesse an mehr Informationen bekommen hat, und an die Quellen möchte.

  • Communications: An International History of the formative Years. Russel W. Burns. IEE History of technology series 32.
  • http://www.deutsches-telefon-museum.eu/Opt-Telegr-Metz-Mainz.htm
  • How Napoleon’s semaphore telegraph changed the world. By Hugh Schofield. https://www.bbc.com/news/magazine-22909590
  • https://www.spektrum.de/news/als-frankreich-die-telegrafie-lieben-lernte/1665450